Zwischen Mieter*innenschutz und wirtschaftlicher Realität

Autor
Dkfm. Angelo Barsuglia, Senior Sales Advisor
Kategorien
ImmobilienFinanzen
Veröffentlicht am 16. Juli 2025
Symbolfoto Mieter und Vermieter

Was ist passiert – einfach erklärt

Viele Mietverträge in Österreich enthalten sogenannte Wertsicherungsklauseln. Diese sorgen dafür, dass sich die Miete automatisch an die Inflation anpasst – also regelmäßig steigt. Doch der Oberste Gerichtshof (OGH) hat vor zwei Jahren entschieden: Solche Klauseln sind ungültig, wenn sie nicht korrekt formuliert sind – konkret, wenn sie nicht auf eine zweimonatige Sperrfrist hinweisen. Das öffnet nun die Tür für Rückforderungen durch Mieter:innen – und bringt die Immobilienbranche ins Wanken.

Was bedeutet das für Mieter*innen?


Für viele Mieter*innen ist das Urteil ein Hoffnungsschimmer:

  • Rückzahlungen möglich: Wer betroffen ist, könnte zu viel gezahlte Miete zurückfordern – in manchen Fällen über Jahre hinweg.
  • Mehr Transparenz: Mietverträge müssen künftig klarer und fairer formuliert werden.
  • Zukunftssicherheit: Die geplante Mietpreisbremse ab 2026 soll weitere automatische Erhöhungen eindämmen.

Doch so berechtigt der Schutz der Mieter*innen ist – die andere Seite darf nicht vergessen werden. Der Österreichische Verband der Immobilienwirtschaft (ÖVI) warnt vor massiven Folgen für den gesamten Sektor:

  • Rechtliche Unsicherheit: Die Frage, ob Rückforderungen drei oder sogar 30 Jahre zurückreichen können, ist ungeklärt.
  • Möglicher Investitionsstopp: Viele Wohnbauprojekte – besonders in Ballungsräumen – liegen auf Eis.
  • Wertverlust: Immobilien verlieren an Beleihungswert, was Sanierungen und Neubauten erschwert.
  • Klimaziele gefährdet: Ohne Kapital keine thermischen Sanierungen oder Dekarbonisierung.
  • Schaden für institutionelle Anleger*innen: Banken und Versicherungen müssen mit massiven Abwertungen rechnen.

Ein unterschätzter Aspekt: Die Rolle der Branche für den Standort Österreich

Die Immobilien- und Bauwirtschaft zählt zu den wichtigsten Wirtschaftstreibern des Landes. Sie schafft Arbeitsplätze, sichert Investitionen und ist zentral für die Energiewende im Gebäudesektor. Wenn diese Branche ins Straucheln gerät, hat das weitreichende Folgen – nicht nur für Investorinnen, sondern für die gesamte Volkswirtschaft. Wer hier wirtschaftet, wird derzeit ausgebremst, so scheint es zumindest. Die Unsicherheit lähmt nicht nur private Vermieterinnen und Vermieter, sondern auch große Bauträger, Genossenschaften und institutionelle Anleger*innen. Das Vertrauen in den Standort Österreich könnte auf dem Spiel stehen.

Politik unter Zugzwang


Die neue Bundesregierung unter Vizekanzler Andreas Babler (SPÖ) arbeitet gemeinsam mit Justizministerin Anna Sporrer und den Koalitionspartnern ÖVP und NEOS an einer Lösung. Ziel ist ein Gesetzesbeschluss im Herbst 2025, der ab 2026 wirksam wird. Dabei sollen auch die Verjährungsfristen für Rückforderungen neu geregelt werden – ein entscheidender Punkt für beide Seiten.

Fazit
Ja, Mieterinnen und Mieter müssen vor unfairen Klauseln geschützt werden. Aber ebenso klar ist: Eine funktionierende Immobilienwirtschaft ist kein Gegner, sondern ein Partner für leistbares Wohnen, Klimaschutz und wirtschaftliche Stabilität. Wer nur eine Seite stärkt, riskiert das Gleichgewicht.

Die Politik steht vor einer Gratwanderung: Sie muss Rechtssicherheit schaffen, soziale Fairness garantieren – und gleichzeitig die wirtschaftliche Basis für Wohnbau, Sanierung und Investitionen sichern. Denn ohne starke Immobilien- und Bauwirtschaft gibt es keine nachhaltige Wohnzukunft in Österreich.